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Post-Frust

Dritter November. Der Föhn beschert uns einen goldenen, warmen Tag. Der Herbst ist immer noch bunt: Mein Kirschbaum glüht in Orange, die Haselsträucher in Gelbgrün und die Hecke in warmem Gold. Hie und da segelt ein Blatt durch die Luft und setzt lautlos auf.
Ich sitze am Schreibtisch und brüte über der Weihnachtspost. Einfallen will mir nichts, dazu ist der Tag viel zu schön! In meinem Blickfeld habe ich Töpfe voll feuriger Kapuzinerchen und üppige Begonien in schweren Rosatönen. Über den Übermut der Natur wüsste ich deshalb einiges zu schreiben, aber nichts, was zu Weihnachten passt. Kein Sujet, kein Text. Nur die grosse Leere im Kopf. Normalerweise warte ich mit den Weihnachtskarten, bis mir ein Gedanke zufällt. Dieser Moment wird kommen, da bin ich mir gewiss. Aber dieses Jahr KANN ich nicht so lange zuwarten! Die Post schliesst! Meine Briefe müssen VORHER weg! Ich will hübsche Marken und keine Allerweltsfrankatur. Und ich will schon gar nicht lieblose Strichcodes auf meiner Post. Zudem bin ich immer noch der Meinung, dass meine Briefe nicht zu den Lebensmitteln gehören, auch wenn sie manchmal als geistige Nahrung gedacht sind. Natürlich kann ich sie in Berikon auf die Post bringen. Ich stelle mir das so vor: Zuerst eine lange Warteschlange beim Parkieren, danach lange, lange Warteschlangen vor den Schaltern, so im Dezember. Ich kriege schon fast einen Anfall, wenn ich mir das Chaos ausmale. ‚Der Post‘ ist es egal, was sie ihrer Kundschaft zumutet. Nennt man das Kundendienst? Ist das in irgendeiner Art und Weise kundenfreundlich, so kurz vor Weihnachten? Eine schöne Bescherung, jawohl!
Wenn ich ‚die Post‘ nur zu fassen kriegte, dann würde ich ihr klipp und klar meine Meinung sagen! Ich wüsste ganz genau was!
Ich glaube, für heute ist endgültig nichts mit Weihnachtstexten. Es kommt mir nur Käse und Kabis in den Sinn.

Marianne Kunz-Jäger.

 

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